Unter Inkubation (oder Zeitigung) versteht man das künstliche Erbrüten mit Hilfe eines Brut- apparates. Eine natürliche Bebrütung ist in unseren Breitengraden nicht unbedingt ratsam, da die Temperaturen zu sehr schwanken und über den gesamten Erbrütungszeitraum nicht hoch genug sind. Daher empfiehlt es sich, die Eier in einem Brutapparat (Inkubator) zu erbrüten.

Im Handel sind diverse Modelle anzutreffen und die Wahl ist nicht einfach. Bewährt haben sich die Flächenbrüter (z. B. Kunstglucke FB 50 und 80) der Firma Jäger. Je nach Anzahl der Eier bietet die Firma Jäger zwei verschiedene Modelle an. Aber auch Modelle aus dem Zoohandel oder von Bruja sind durchaus empfehlenswert.

Hier ein kleiner Überblick über diverse Brutapparate:


Jäger Kunstglucke FB 50

8 Heimchendosen

135,--

Jäger Kunstglucke FB 80

16 Heimchendosen

289,--

Herp Nursery 2 Inkubator

25 L Fassungsvermögen Heiz- und Kühlfunktion

149,--

Bruja Flächenbrüter 400

kA

119,--

Bruja Flächenbrüter 3000

kA

118,--

Stand 2008


Inkubationsbehälter vorbereiten


Es ist ein Substrat entsprechend der Unterart zu wählen. Hier haben sich Vermiculite, Erde-/Fluss-sandgemisch, Kokosfasersubstrat-Erde-Gemisch sowie Floraton3-Erde-Gemisch oder ganz einfache Gartenerde bewährt. Möglich, aber unnatürlich oder ungeeignet sind: Seramis, Blähton, Vogelsand, Perlite, Sand-Pinienrinde-Gemisch usw.

 

Auch sollte überlegt werden, wie tief man die Eier in das Substrat einbettet. Bisher wurden die Eier nur zur Hälfte in das Substrat gelegt und so inkubiert. Dazu wurde der Behälter etwa zur Hälfte bis max. zwei Drittel mit Substrat befüllt. Einige Halter – u. a. Wolfgang Wegehaupt, Helmut Beck usw. – inkubieren bereits mit vollständig eingegrabenen bzw. verdeckten Eiern. Diese Methode kommt der Natur sehr nahe, denn der Schlupf passiert unter der Erde und die Tiere müssen sich an die Ober- fläche hochgraben bis sie das Tageslicht erblicken. Hierbei wurde nachgewiesen, dass diese Jungtiere beim Schlupf weniger Anomalien aufwiesen und der Dottersack vollständig geschlossenen war. Außerdem waren diese Tiere viel lebhafter, gesund und fit.

 

Bergung der Eier 

 

Zur Bergung werden folgende Utensilien benötigt:

  • Löffel

  • Pinsel

  • weicher Bleistift

  • diverse Behälter (z. B. Grillen- oder Heimchendosen + Deckel, Tupperware, Vorratsbehälter – alle mit Löchern zum Luftaustausch)

  • leicht feuchtes Substrat

  • eventuell ein kleines und leicht feuchtes Tuch

 

Hat man die Eiablagestelle des Weibchens gefunden oder war man sogar bei der Eiablage dabei, sollte man dem Tier unbedingt das Verschließen der Grube ermöglichen und erst nachdem es die Stelle verlassen hat, vorsichtig mit einem Löffel die Erde entfernen und dann mit einem weichen Pinsel die Eier freilegen, um eine Zerstörung dieser zu vermeiden.


Eierablagestätte einer Meeresschildkröte

 

Am besten man markiert die Eier noch in der freigelegten Grube mit einem weichen Bleistift am obersten Punkt des Eies. Achtung, die Eier dürfen nur unmittelbar nach der Eiablage noch in ihrer Lage verändert werden. Findet man die Eier erst später, dürfen diese keineswegs in der Lage verändert (gedreht oder gewendet) werden, da sonst der Dottersack über die Keimscheibe rutschen kann und dies zum sicheren Absterben des Embryos führt! Die Eier werden dann nach und nach in den vorbereiteten Behälter gelegt. Natürlich kann man die Eier zum Bergen auch erstmal in einen Eierkarton legen und sie dann in den entsprechenden Behälter umsetzen und richtig platzieren.

 

Eiablage einer Spornschildkröte.


Werden die oft verwendeten Grillen- oder Heimchendosen als Inkubationsbehälter gewählt, sollten nicht mehr als 2 – 3 Eier pro Behälter darin Platz finden. Sind die Eier nun im Behälter angeordnet, kann ein leicht feuchtes Tuch (z. B. Baumwolltaschentuch, Stück vom Laken oder altes Geschirrtuch) über den Behälter straff gespannt und mit dem dazugehörigen Deckel verschlossen werden. Das feuchte Tuch hält die Luftfeuchtigkeit hoch, die um die 70-80 % betragen sollte. Zu geringe Luftfeuchtigkeit führt zum Absterben des Embryos. Ebenfalls verhindert es die Bildung von Kondenswasser, welches auf die Eier herabtropfen könnte und somit zur Schimmelbildung und zum Absterben des Embryos führt.

 

Es kann aber auch die offene Inkubation gewählt werden, wobei hier der Behälter nicht abgedeckt wird. Ein guter Luftaustausch ist stets zu gewährleisten.

 

Danach werden die Eier unmittelbar in den Inkubator überführt.

 

Die Inkubation

 

Beim Einsetzen der Eier in den Inkubator, sollte dieser bereits auf die entsprechende Temperatur vorgeheizt sein. Jede Art bzw. Unterart und deren Herkunft benötigt eine leicht andere Zeitigungs-temperatur. Auch die Dauer bis zum Schlupf ist extrem unterschiedlich und weicht - durch relativ konstante Temperaturen im Brutapparat - von denen in der Natur ebenfalls stark ab.

 

Art/Unterart

Dauer Natur

Dauer Inkubator

Testudo hermanni

90-124 Tage

55-90 Tage    ø 60-70 Tage

Testudo boettgeri

90-124 Tage

56-75 Tage    ø 60 Tage

Testudo hercegovinensis

90-124 Tage

51-65 Tage    ø 60 Tage

Testudo marginata

100 Tage

60-70 Tage

Centrochelys sulcata

ca. 200 Tage

78-156 Tage  ø 90 Tage

Agrionemys horsfieldii

80-100 Tage

55-70 Tage

 

Wie bekannt, hängt bei einigen Reptilien das spätere Geschlecht von der Bruttemperatur ab. Dies wird auch oft als temperaturabhängige (phänotypische) Geschlechtsprägung bezeichnet. Im Ei sind demnach weibliche und männliche Anlagen vorhanden, die sich je nach Temperatur zu einem weiblichen oder männlichen Tier entwickeln. Leider sind männliche Tiere nicht so sehr wie weibliche gefragt, was damit zusammenhängt, dass ein Männchen immer mit mehreren Weibchen zusammen-gehalten werden sollte. Daher ist es umso wünschenswerter, dass möglichst viele Weibchen gezüchtet werden.

 

Die Bruttemperatur bestimmt das Geschlecht und die Zeitigungsdauer!

 

Um dies zu erreichen, muss die richtige Bruttemperatur zum richtigen Zeitpunkt (Temperaturscheitel-punkt) gegeben sein. Da das Geschlecht Ende des ersten Drittels bis Anfang des mittleren Drittels (in etwa bis zum 25. Tag lt. Wegehaupt) der gesamten Brutzeit festgelegt wird, sollte in dieser Zeit mit höheren Temperaturen inkubiert werden. Der exakte Zeitpunkt, in der das Geschlecht festgelegt wird, ist leider wissenschaftlich noch nicht präzisiert.

 

Angaben zu Inkubationstemperaturen:

Art/Unterart

Männchen

Weibchen

Testudo hermanni

26-30 °C

32-34 °C

Testudo boettgeri

30-31 °C

32-34 °C

Testudo hercegovinensis

28-29 °C

30-31,5 °C

Testudo marginata

28-29 °C

32,5-33 °C

Centrochelys sulcata

29-31 °C

31-33

Agrionemys horsfieldii

24-28 °C

32 °C

 

Im natürlichen Lebensraum kommt es auch hin und wieder zu extremen Temperatur-schwankungen durch Schlechtwetterperioden. So sind die Temperaturen nach einem Gewitter im Hochsommer in Frankreich kurzzeitig auf 16 °C gefallen oder betrugen am Morgen in Griechenland nur noch 6 °C. Daher macht es durchaus Sinn während der Brutdauer mit einer Nachtabsenkung um 8-9 °C - minimal bei 25 °C - zu arbeiten. Um dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit möglichst viele Weibchen zu erbrüten, empfehle ich eine Nachtabsenkung erst ab der Hälfte des mittleren Drittels (ca. ab 30. Tag). Ab hier können auch die Tagestemperaturen etwas gesenkt werden, um Anomalien auszuschließen und schöne sowie kräftige Jungtiere zu erzielen. Zum Ende der Inkubationszeit sollte die Luftfeuchtigkeit erhöht werden, denn in der Natur schlüpfen die Jungtiere stets nach einem ausgiebigen Regenschauer, der den Boden durchfeuchtet und die Grabfähigkeit an die Oberfläche erleichtert.

 

Bei dauerhaft zu niedrigen Temperaturen werden ausschließlich männliche Tiere schlüpfen! Die absoluten Minimaltemperaturen - bei dem sich ein Embryo (jedoch schwach, kränklich um kaum überlebensfähig) entwickeln kann - liegen höchstwahrscheinlich bei 23-24 °C. Die Maximal-temperaturen von 35 °C sollten dennoch nie überschritten werden.

 

Während der Inkubation sollte stets auf die Temperatur und vor allem auf die Luftfeuchtigkeit von ca. 80 % geachtet werden. Fällt diese unter 65 %, muss das Tuch und/oder das Substrat nachge-feuchtet werden. Hierbei darf kein Wasser auf die Eier tropfen! Auch das Einbringen einer separaten Wasserschale im Brutapparat ist hilfreich. Staunässe ist unbedingt zu vermeiden!

 

Man kann also sagen: Je geringer die Bruttemperatur, umso länger dauert es bis zum Schlupf und umso höher ist der Anteil männlicher Tiere. Diese Tiere weisen sehr selten Anomalien auf. Sind die Temperaturen dauerhaft zwischen 32-34 °C Grad – also relativ hoch – verringert sich die Brutdauer und der Anteil an weiblichen Tieren ist sehr hoch. Hierbei steigt jedoch auch das Risiko an Anomalien.  

 



Bei der naturnahen Inkubation (Eier im Substrat vollständig eingebuddelt), schlüpfen die Jungtiere etwas später und erst wenn der Dottersack vollständig in die Bauchhöhle eingezogen ist. Diese Tiere sind gesund, fit und kräftig. Bei einer offenen Inkubation (Eier sind nur zur Hälfte im Substrat eingebettet), schlüpfen die Jungtiere zeitiger. Hierbei wurde beobachtet, dass der Dottersack oft noch gar nicht in die Bauchhöhle absorbiert wurde. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Tiere sich in der Natur unter der Erde aus der Eihülle befreien und oft noch tagelang dort verharren, bis der Erdboden grabfähig ist und sie sich an die Oberfläche hochbuddeln.

 

Anomalien: Es wird momentan davon ausgegangen, dass Anomalien durch dauerhaft zu hohe Zeitigungstemperaturen entstehen, aber auch durch ein ständiges Hantieren, Kontrollieren und Wiegen der Eier. Dennoch ist wissenschaftlich noch nicht erwiesen, was die genaue Ursache dafür ist.

 

 

Befruchtet oder nicht?

 

Ob ein Ei befruchtet ist oder nicht, kann erst nach einigen Tagen im Inkubator festgestellt werden. Hier sollte ein kleiner weißer Fleck zu erkennen sein, der die Lage der Keimscheibe zeigt. Ist das Ei entwickelt, wird sich das Eiinnere im Laufe der Inkubation dunkler färben und es nimmt an Gewicht zu. Zusätzlich kann man das Ei mittels einer Taschenlampe oder vor einer anderen Lichtquelle durch-leuchten.

 

Schimmelnde oder sogar übel riechende Eier sind sofort aus dem Brutbehälter zu entfernen. Für die restlichen Eier, die sich im gleichen Behälter befinden, ist das Substrat unbedingt zu erneuern.


Letztes Update: 3. Mai 2009